Wenn das Immunsystem altert |
Katja Egermeier |
06.10.2021 11:00 Uhr |
Das Immunsystem altert bei manchen schneller, bei anderen langsamer. Dennoch ist für Experten die beste Waffen gegen Infektionent nach wie vor die Impfung. / Foto: Getty Images/ivanastar
Der Alterungsprozess ist Cicin-Sain zufolge im Wesentlichen durch den Verlust der Aktivität von Stammzellen bedingt. Während sich der Körper in jüngeren Jahren kontinuierlich durch Nachschub an neuen Zellen regeneriert, die zu Knochen-, Haut- oder Blutzellen werden, lasse diese Stammzellaktivität im Lauf der Jahre nach. »Der Körper verliert die Fähigkeit, sich zu erneuern«.
Das betreffe auch die Lymphozyten, die zu den weißen Blutzellen zählen und als Träger des erworbenen oder spezifischen Immunsystems in der Lage sind, Millionen verschiedene Moleküle von Infektionserregern, die sogenannten Antigene, zu erkennen, so der Experte. Im Alter entstünden jedoch immer weniger naive Zellen dieser Art, die für die Identifikation neuer, sprich: bislang unbekannter Erreger zuständig sind. Die Folge: Die Immunreaktion wird schwächer – sowohl gegen Infektionen als auch gegen Impfstoffe.
Das Immungedächtnis, also die Fähigkeit des Körpers, durch vormaligen Kontakt bereits bekannte Krankheitserreger wieder zu erkennen und abzuwehren, bleibe zwar bis ins Alter meistens erhalten, erklärt der Leiter der Abteilung »Virale Immunologie«. Das Problem, dass zu wenige naive Zellen zur Erkennung neuer Erreger gebildet werden, bleibe jedoch bestehen.
Zudem unterscheide sich die Alterung der Immunität bei älteren Menschen Cicin-Sain zufolge sehr stark. Die Gründe dafür seien noch nicht klar und Thema vieler Studien. Man wisse, dass molekularer Stress sowie oxidative Prozesse eine erhebliche Rolle spielten, da sie zu Schäden an der DNA führten, was wiederum die Stammzellfunktion beeinträchtige. Nicht klar sei jedoch, ob Infektionen – einzeln oder in ihrer Gesamtheit, bekannt oder unbekannt – die Alterungsprozesse verstärken. »Es ist nicht ausgeschlossen, aber auch nicht belegt, dass sie die Immunalterung beschleunigen«, so der Experte.
Das Immunsystem greift bei der Abwehr von Erregern auf zwei Mechanismen zurück: die (angeborene) unspezifische und die (erworbene) spezifische Immunabwehr. Dringen Erreger in den Körper ein, sorgt in den ersten Minuten die unspezifische Immunabwehr dafür, dass Krankheitsverursacher bekämpft und abtransportiert werden. Das geschieht mittels Abwehrzellen und Plasmaproteinen aus dem Blutkreislauf. Experten gehen davon aus, dass 90 Prozent aller Infektionen durch diese angeborene Immunabwehr erfolgreich bekämpft werden.
Die spezifische Immunabwehr greift dann, wenn sich Erreger dennoch und bis ins lymphatische Gewebe verbreiten. Sie passt sich dem jeweiligen Krankheitserreger an und entwickelt die entsprechende Immunantwort, die sogenannte adaptive Immunantwort. Es werden Antikörper in großen Mengen gebildet und im ganzen Körper verteilt. Sie schränken die Fortbewegung der Erreger ein und unterstützen die Fresszellen, indem sie die Keime »markieren«.
Quelle: HZI