Werbung fördert unkritischem Umgang mit Schmerzmitteln |
Werbung für OTC-Schmerzmittel verlagert sich laut der Techniker Krankenkasse zunehmend auch in soziale Medien. Damit sollen vor allem junge Zielgruppen erschlossen werden. / Foto: Getty Images/JGI/Jamie Grill
»Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.« Diesen Satz kennen nicht nur Pharmazeuten aus der Vorbereitung auf das Dritte Staatsexamen in- und auswendig, sondern jeder, der ab und zu vor 20 Uhr den Fernseher einschaltet. Laut § 4 Heilmittelwerbegesetz (HWG) ist der Hinweis bei Arzneimittelwerbung außerhalb von Fachkreisen vorgeschrieben – aus gutem Grund, denn Laien können die Vor- und Nachteile eines Medikaments nicht fundiert gegeneinander abwägen.
Statt mit klassischer Werbung, die klar als solche erkennbar ist, versuchen Arzneimittelhersteller jedoch zunehmend, auf ihre Produkte mit subtileren Mitteln aufmerksam zu machen. Das geht aus dem Kopfschmerzreport 2020 der Techniker Krankenkasse (TK) hervor, der gestern in Berlin vorgestellt wurde. Die Krankenkasse bemängelt insbesondere versteckte Werbung für OTC-Schmerzmittel und betont die wichtige Rolle der Apotheker bei der Beratung in diesem Bereich.
»Disease-Awareness-Kampagnen«, »Influencer Marketing« und »Content Seeding« sind Schlagworte, die erahnen lassen, wie Werbeagenturen dabei vorgehen. Zentral sind meistens Internetseiten, die auf den ersten Blick wie firmenunabhängige Informationsplattformen wirken, es aber nicht sind. Als Beispiele führt die TK unter anderem initiative-schmerzlos.de, kopfschmerzen.de und kopfschmerzkompass.de an. Dort gibt es Angebote wie Hotlines, Patientenforen, Blogs, Podcasts oder You-Tube-Beiträge mit persönlichen Erfahrungen Betroffener.
Besonders rege ist laut der TK dabei die »Initiative schmerzlos«, hinter der Reckitt Benckiser steckt, der Hersteller diverser Ibuprofen-haltiger OTC-Produkte mit der Dachmarke Nurofen®. Über das Sponsoring von You-Tubern und Kampagnen auf Instagram, Facebook und Pinterest wende man sich gezielt an Kinder und Jugendliche. Die Krankenkasse sieht dabei die Gefahr, dass dies den unkritischen Umgang der Adressaten mit Arzneimitteln auch später im Erwachsenenalter befördert.
»Wir wollen Werbung nicht verteufeln. Sie soll ja auch aufklären. Aber dieser aufklärende Charakter ist uns wichtig«, sagte Tim Steimle, Leiter der Abteilung Arzneimittelversorgung bei der TK. Gerade die Apotheker seien hier täglich gefordert, vernünftig zu beraten, da es sich vor allem um Werbung für OTC-Präparate handelt, die sich der ärztlichen Kontrolle weitgehend entziehen. »Schmerzmedikamente sollten ohne ärztliche Diagnose nicht länger als drei Tage am Stück und auch nicht mehr als zehn Tage im Monat eingenommen werden«, erinnerte Steimle, der selbst Apotheker ist. Auf die wichtige Steuerfunktion der Apotheker durch die Beratung zu Schmerzmitteln hatte kürzlich auch schon die ABDA hingewiesen.