Wie chronischer Husten entsteht |
Wiebke Gaaz |
17.03.2023 08:00 Uhr |
Nach einer Erkältung kann ein Husten uns schon mal länger Gesellschaft leisten, bis die gereizten Schleimhäute sich wieder erholt haben. / Foto: Adobe Stock/Africa Studio
»Husten ist ein ernsthaftes und komplexes Problem«, sagte Privatdozent Dr. Kai-Michael Beeh, Pneumologe und Leiter des Instituts für Atemwegsforschung (INSAF), bei einer Fortbildungsveranstaltung für Ärzte an der Universitätsklinik Mainz Ende Februar. Das Symptom ist mit circa 10 Prozent einer der Hauptgründe, neben Schmerzen und Infekten, warum Menschen ihren Hausarzt aufsuchen. Husten kann eine Reihe unangenehmer Folgen haben. Dazu zählen Kopfschmerzen, Schlafstörungen, bei Frauen häufig Inkontinenz, Rippenbrüche und – seltener – Einblutungen. Das Ausmaß der psychosozialen Folgen könne extrem sein, so Beeh. »Husten nervt, nicht nur die Betroffenen. Es nervt auch die Umwelt.« Die psychische Belastung kann zu Isolationsphänomenen führen, insbesondere bei kontaktscheuen Menschen. Untersuchungen zeigten, dass ein chronischer Husten die Lebensqualität oft stärker beeinträchtigt als andere Erkrankungen, die mit Husten assoziiert sind. In Kohortenstudien scheinen Frauen in jeder Altersgruppe häufiger von Husten betroffen zu sein als Männer, und es gibt einen Häufigkeitsgipfel in der Gruppe der 60 bis 69-Jährigen.
Ein akuter Husten dauert in den meisten Fällen zwei Wochen und klingt dann wieder ab. Ursache sind die klassischen Erkältungen, also virale Infekte der oberen und/oder der unteren Atemwege. Laufen diese prolongiert ab, dann kann ein Husten auch bis zu acht Wochen persistieren und ist dann subakut. Solange ein Husten eindeutig auf ein akutes Ereignis zurückgeführt werden kann, seien die acht Wochen aber »nicht in Stein gemeißelt«, erklärte Beeh. Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) zur Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit akutem und chronischem Husten empfiehlt, nach zwei Wochen den Arzt zu konsultieren. Dieser wird nach acht Wochen eine umfangreichere Diagnostik einleiten, wenn die Ursache noch nicht bekannt ist. In circa 20 Prozent der Fälle kann auch keine gefunden werden, der Husten ist dann chronisch idiopathisch.
Zu den häufigsten Ursachen eines chronischen Hustens zählen Asthma (die Hustenvariante, bei der die bronchiale Hyperreagibilität im Vordergrund steht), Sinusitiden (mit post-nasal-drip-Syndrom) und Refluxerkrankungen. Bei den Medikamenten sind es oft ACE-Hemmer und selten Amiodaron, die für einen Husten verantwortlich sind. »Das Problem ist, dass die Behandlung der Grunderkrankung eben manchmal nichts bringt, wenn es um das Symptom Husten geht«, so Beeh. Ärzte haben es dann mit einem chronisch refraktären Husten zu tun.
Wie kann man die Entstehung eines chronischen Hustens erklären? Dabei helfe es, sich vorzustellen, dass die Hustenrezeptoren, die im gesamten Bereich der oberen und unteren Atemwege, am Zwerchfell, Magen, Speiseröhre und Kehlkopf (und weiteren Strukturen) vorhanden sind, auf eine bestimmte Empfindlichkeit eingestellt sind, sagte der Pneumologe. Die Hustenreaktion werde erst ausgelöst, wenn die Reizschwelle durch einen physiologischen Stimulus, beispielsweise Allergene, Chemikalien, Feinstaub oder zähen Schleim, überschritten wird. »Wenn dieses sensible System aber wie ein Thermostat in seiner Empfindlichkeit verstellt ist, dann tritt Husten bei normalerweise unterschwelligen Reizen auf«, erklärte Beeh. Ähnlich wie beim chronischen Schmerzsyndrom oder beim chronischen Juckreiz kommt der Kreislauf aus Aktivierung und Reaktion nicht mehr von selbst zum Stillstand, wird sogar durch wiederholtes Husten aufrechterhalten. »Dieses System wieder auf eine normale Empfindlichkeit zurückzuholen ist sicherlich eine große Herausforderung.« Zumindest bei den Formen des chronischen Hustens, denen Entzündungen zugrunde liegen, kann laut Beeh ein einfach zu bestimmender Biomarker eine Hilfe sein: FeNO (Fraktioniertes exhaliertes NO), also die Menge des Stickstoffmonoxids in der Ausatemluft. »Das ist ein wunderbarer Marker, weil der Patient bei erhöhtem FeNO wahrscheinlich auf die Behandlung mit inhalativen Corticosteroiden ansprechen wird.«
Ein Husten, dem die Ursache fehlt, werde zu einer eigenständigen Erkrankung, machte Professor Dr. Ludger Klimek vom Zentrum für Rhinologie und Allergologie Wiesbaden deutlich. Wichtig zu wissen sei hier, dass es noch keine zugelassene medikamentöse Therapie gegen chronischen Husten gibt. Alle Therapieversuche kommen off Label zum Einsatz und müssen gut mit dem Patienten kommuniziert werden. Auch COPD-Patienten stecken hier in einem Dilemma: Die zugelassenen Therapien zielen alle auf die Behandlung von Luftnot und Exazerbationen ab, adressieren aber nicht den Husten und die Schleimbildung, die die Betroffenen oft am meisten stören. Sie profitieren dann von einer Atemphysiotherapie. Effektive Hustentechniken mobilisieren das Sekret und machen es leichter abhustbar. Dafür gibt es in der Apotheke spezielle Hilfsmittel, die der Patient zuhause oder unterwegs zusätzlich anwenden kann, zum Beispiel Pari-PEP®, RC-Cornet®, VRP1®Flutter/GeloMuc® (baugleich). Logopädie kann bei Husten- und Räusperzwang hilfreich sein.
Respiratorische Viren verursachen einen Epithelschaden, der die darunter liegenden Strukturen freilegt. Da hier auch die C-Fasern des Vagusnervs enden, werden diese ständig durch Entzündungsmediatoren aktiviert, was den Hustenreiz immer wieder auslöst. Hier sehen beide Ärzte eine Domäne der pflanzlichen Arzneimittel in der symptomatischen Therapie des Hustens. »Es gibt erstaunlich gute Evidenz im Vergleich zu anderweitig eingesetzten Phytopharmaka«, so Klimek. Die pflanzlichen Wirkstoffe reduzieren die Reizsituation an den Hustenrezeptoren lokal im Rachen und am Kehlkopf. Empfehlenswert sei hier die Kombination aus Efeu und Thymian. Isländisch Moos und Eibisch haben eine mucilaginöse Wirkung direkt an der Schleimhaut. Das konsequente, manchmal wochenlange intensive Feuchthalten der Schleimhäute sei wichtig für deren Regeneration, sagte Klimek.
Wenn der Husten durch eine Hypersensitivität der Rezeptoren ausgelöst wird, könne man auch von einem neurogenen Husten sprechen, so Klimek. Daher gibt es Therapieversuche mit Gabapentin, von dem der Patient anfangs dreimal täglich 100 mg nimmt. Je nach Ansprechen kann es auf bis zu 1200 mg täglich gesteigert werden. Amitriptylin (10 mg abends) ist für bestimmte Untergruppen eine weitere Option.
Medikamente, die am Hustenzentrum wirken, sind die klassischen Antitussiva. Morphin stillt Reizhusten schon im Niedrigdosisbereich, das heißt mit 5 bis 10 mg täglich. Hier muss das Suchtpotenzial beachtet werden. Bei Codein werde häufig vergessen, dass es zu Morphin verstoffwechselt wird. Nebenwirkungen wie Obstipation, Sedierung und Übelkeit limitieren den Einsatz dieser Wirkstoffe. Noscapin und Dextrometorphan sind weitere Antitussiva, wurden aber für die Behandlung des chronischen Hustens nicht untersucht. Bei viralen Infekten könnten einige Tage lang Hustenblocker in der Nacht gut mit Schleimlösern am Tag kombiniert werden, sind sich die Experten einig. Die Gefahr eines Sekretstaus sei beim Erkältungshusten nicht gegeben, da ein Großteil des Sekrets phagozytiert werde und die mukoziliäre Clearance nie komplett ausgeschaltet werde.
Die therapeutische Lücke beim chronischen Husten könnte möglicherweise bald ein Arzneistoff einer neuen Wirkstoffklasse füllen: Gefapixant (als Lyfnua® in Japan im Handel) ist ein Purinrezeptor (P2X3) - Antagonist, der die Aktivierung der hypersensitiven C-Fasern durch ATP blockiert. Patienten nehmen zweimal täglich 45 mg ein. Eine dosisabhängige reversible Geschmacksstörung ist eine häufige Nebenwirkung, da die Rezeptoren auf der Zunge für die Übermittlung von Geschmackseindrücken zuständig sind. Die Zulassungsstudien zeigen aber auch, dass Husten sehr gut auf Placebo anspricht. Dies wird auch in der DGP-Leitlinie thematisiert. Die Autoren erklären es mit der Ausschüttung von endogenen Opioiden.