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Auf den Fuß statt auf den Teller

Wie Fischhaut offene Wunden heilt

Kabeljau oder Dorsch? Welches Transplantat darf‘s denn sein? Eine auf den ersten Blick ungewöhnlich anmutende Wundabdeckung könnte viele Diabetiker zukünftig vor einer Amputation infolge von offenen Wunden bewahren: Die Rede ist von Fischhaut. Die neue Methode zur Behandlung nicht heilender Hautstellen wird derzeit in einer Multicenter-Studie unter deutscher Beteiligung geprüft.
Katja Egermeier
18.03.2022  11:00 Uhr

Wie die die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) berichtet, werden in Deutschland jährlich mehr als 40.000 Zehen, Füße oder Unterschenkel aufgrund chronischer Gewebedefekte amputiert. Von diesen sogenannten offenen Stellen sind vor allem Menschen mit Diabetes betroffen, bei denen kleine Verletzungen aufgrund von Durchblutungsstörungen und Nervenschädigungen in den Füßen häufig unbemerkt bleiben, schlecht abheilen und sich entzünden. Ähnliches kommt der DGG zufolge auch bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) vor – einer Durchblutungsstörung der Beine, die oft durch starkes Rauchen, Bluthochdruck oder ungünstige Blutfettwerte verursacht wird.

Welche vielversprechende Rolle nun die Haut des atlantischen Kabeljaus oder Dorschs als Transplantat dabei spielt, untersucht der DGG-Experte Dr. Holger Diener, der auch das Wundkompetenzzentrum in Buchholz leitet, bereits seit mehreren Jahren. Dazu wird die Fischhaut in Island so aufbereitet, dass nur die sogenannte Matrix, die zellfreie Stützstruktur, übrig bleibt. Mit dem Produkt, ähnlich einem reinweißen Pappkarton, ließen sich dann hartnäckige Wunden verschließen, so Diener. »Die Matrix kann man sich als Gerüst vorstellen, das den patienteneigenen Zellen dabei hilft, in das Wundgebiet einzuwandern und sich dort zu verankern.«.

Dabei komme der Fischhaut die großporige Struktur zugute, die dem Aufbau der menschlichen Haut sehr ähnlich sei und das Einwandern und Vermehren der Hautstammzellen fördere, erklärt der Experte. Ein weiteres Argument für Fisch- statt Rinder- oder Schweinehaut: Zwischen Fisch und Mensch besteht kein Risiko der Krankheitsübertragung. Sie lasse sich zudem schonender verarbeiten und enthalte hochkonzentriert die fischtypischen Omega-3-Fettsäuren, die mit ihren entzündungshemmenden und antibakteriellen Eigenschaften vermutlich ebenfalls zur Wundheilung beitragen.

Die Behandlung mit Fischhaut habe sich in der Praxis bereits bewährt, berichtet Diener – und in den USA bereits eine Zulassung der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA erhalten. In Europa sei das Produkt CE-zertifiziert. Die aktuelle EU-Studie, an der neben Kliniken in Frankreich, Schweden, Italien und der Schweiz das Krankenhaus in Buchholz, das Kölner Universitätsklinikum und das Städtische Krankenhaus Karlsruhe beteiligt sind, soll nun Wirksamkeit der Methode nun umfassender überprüfen.

DGG-Präsident Professor Markus Steinbauer begrüßt das. »Wir benötigen dringend weitere Studien, um die Behandlung zu verbessern.« In Deutschland leiden schätzungsweise 800.000 Menschen unter chronischen Wunden an den Beinen, die in 80 Prozent der Fälle auf Erkrankungen an den Venen oder Arterien zurückzuführen sind. Steinbauer zufolge erhalten trotz dieser Zahlen zu wenige Patienten eine erweiterte Gefäßdiagnostik, die einer wirkungsvollen Therapie vorausgehen sollte. Wer daher offene Stellen an den Beinen habe, die nicht innerhalb von drei Monaten abheilen, sollte sich in einer Klinik mit Gefäßzentrum vorstellen, die auf Wundbehandlung spezialisiert ist.

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