Wie Hunde Corona erschnüffeln |
Isabel Weinert |
07.03.2022 16:00 Uhr |
Otto hat es drauf – er erriecht, welcher Mensch Corona hat und welcher nicht. Dabei sind Hunde auch bei der Omikron-Variante überaus treffsicher. / Foto: @ Sebastian Meller
PTA-Forum: Was brachte Sie auf die Idee, Hunde als »Coronatester« einzusetzen?
Volk: Wir arbeiten normalerweise im Bereich der Tierneurologie. Als Corona kam, habe ich einen sehr anerkannten Virologen bei uns an der Hochschule kontaktiert, Professor Dr. Albert Osterhaus. Er hat bereits maßgeblich an SARS-CoV-1 und MERS mitgearbeitet. Ich fragte ihn, ob er glaubt, dass Hunde Corona detektieren, also riechen können und wenn ja, ob er uns helfen könnte, das herauszufinden. Er hat mich zunächst für verrückt erklärt, aber dann einige Publikationen gefunden, die darauf hinwiesen, dass an meiner Idee etwas dran sein könnte.
PTA-Forum: Wie konnten Sie sie in die Tat umsetzen?
Volk: Wir haben gemeinsam mit der Deutschen Bundeswehr, die auch Hunde im Schnüffeleinsatz hat, mit der Medizinischen Hochschule Hannover und mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf geplant und dann begonnen. Zu Beginn haben wir Proben mit Bronchialsekret oder Speichel von Menschen verwendet, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert hatten und auf der Intensivstation lagen. Diese Proben testeten wir mit den Hunden gegen Kontrollen aus Menschen, die sich im gleichen Umfeld wie die Patienten aufhielten. Damit verhinderten wir, dass der Hund nur das Umfeld lernt, sondern wirklich die Probe. Das war die erste Studie, die wir gemacht haben.
PTA-Forum: Wie haben Sie in dieser Studie für die Sicherheit der mitarbeitenden Menschen und der Hunde gesorgt und die Hunde motiviert?
Volk: Wir haben das Virus inaktiviert. Um die Hunde auf die Proben zu trainieren, nutzten wir eine Art »Schnüffelhund-Maschine«. Das ist für Hunde im Training so wie ein Computer-Spiel für Menschen. Denn am Anfang bekommen sie jedes Mal, wenn sie richtig gerochen haben, eine Belohnung.
PTA-Forum: Wie hoch war die Trefferquote bei den Hunden?
Volk: Die Hunde haben das toll gemacht. Die Sensitivität lag bei über 85 Prozent und die Spezifität bei mehr als 95 Prozent. Nachdem wir diese Ergebnisse publiziert hatten, wurden sie von anderen Arbeitsgruppen bestätigt, obwohl sie andere Trainingsmöglichkeiten, andere Inaktivierungsprotokolle und andere Proben verwendeten. Im Moment arbeiten wir an einer Metaanalyse zu den vorhandenen Studien.
PTA-Forum: Welche Studien Ihrerseits schlossen sich an diese erste an?
Volk: In unserer zweiten Studie haben wir untersucht, ob die Hunde die Krankheit auch aus anderen Proben als Speichel oder Bronchialsekret detektieren können, also zum Beispiel aus Schweiß und Urin. Proben daraus haben wir dann gegen die Sputum-inaktivierten Proben verglichen, und es zeigte sich, dass den Hunden die Art der Probe ganz egal ist. Das weist für uns klar darauf hin, dass durch SARS-CoV-2 eben ein großer Teil des Menschen in Mitleidenschaft gezogen wird, das Virus findet sich in verschiedenen Körperflüssigkeiten.
In einer weiteren Studie untersuchten wir die Fragestellung, ob Hunde auch zwischen SARS-CoV-2 und anderen Viren differenzieren können. Es zeigte sich, dass die Hunde, die auf die Detektion von SARS-CoV-2 trainiert waren, klar unterscheiden konnten zwischen diesem Virus und SARS-CoV-1, MERS-Viren sowie Grippeerregern.
PTA-Forum: Wie zeigt ein Hund an, wenn eine Probe positiv ist?
Volk: Unsere Hunde werden sonst im Sprengstoffbereich eingesetzt, und diese Hunde haben gelernt, sich hinzusetzen. Also wenn der Hund Sprengstoff riecht, möchte man, dass er weg sitzt, um das anzuzeigen. Einige Hunde sind auch auf Starrverhalten trainiert, das heißt, sie verharren starr, um anzuzeigen, dass sie etwas gefunden haben. In den ursprünglichen Versuchen haben wir das mit einer Schnüffelhund-Maschine mit Lichtschranke gemacht. Wenn der Hund seine Nase länger als vier Sekunden dort hineingehalten hat, dann war die Probe positiv.
PTA-Forum: Wie trainiert man Hunde auf positive Proben?
Volk: Die Hunde lernen das relativ schnell, weil es am Anfang immer mit Futter assoziiert ist. Zudem ist das für den Hund ein Spiel. Wenn er durch ein bestimmtes Signal weiß, gleich geht es los, dann ist er wirklich höchst freudig gespannt. Beim Training muss man allerdings sicherstellen, dass der Hundeführer und der Hund nie wissen, wann die Belohnungsprobe kommt, dass es also randomisiert ist. Denn es reicht schon, wenn der Hundeführer das ahnt, dann verhält er sich anders und der Hund spürt das sofort und wird davon beeinflusst. Dann geht das Training meistens schief. Am besten ist es, man ist total blind und lässt den Hund einfach arbeiten.
PTA-Forum: Welche Hunderasse eignet sich für diese Arbeit besonders gut?
Volk: Wegen des besseren Geruchssinns bevorzugt man Hunde mit langen Nasen, weil sie mehr Geruchsrezeptoren haben. Aber das alleine reicht nicht aus für einen guten Spürhund. Er muss sich auch von seinem Wesen her eignen, sich also etwa durch ein gutes und langes Konzentrationsvermögen auszeichnen und Freude am Arbeiten haben. Hunde, denen schnell langweilig wird, bekommt man zwar auch schnell antrainiert, aber dann vergeht ihnen schon nach kurzer Zeit die Freude.
PTA-Forum: Wie lange dauert eine Hundeschicht?
Volk: Wenn Hunde als Sprengstoffspürhund eingesetzt werden, dann jeweils ein bis zwei Stunden, anschließend gibt es erst einmal eine Pause mit einem Spaziergang. Wir haben die Hunde etwas kürzer eingesetzt. In jedem Fall sollten sie spätestens nach 20 Minuten eine Belohnung bekommen.
PTA-Forum: Wie sehen Sie den Einsatz von Corona-Spürhunden in der Zukunft?
Volk: Eigentlich wären gerade jetzt bei Omikron, wo die Tests oft nicht so gut anschlagen oder nicht ausreichend PCR-Tests zur Verfügung stehen, Hunde optimal, um die Infektion zu erkennen. Aber wir geben nur unsere Forschungsergebnisse weiter. Entscheiden muss die Politik. Ganz wichtig ist auf jeden Fall, dass unser Wissen weiter in fachmännischen Händen bleibt. Es darf nicht so ein, dass sich irgendeine Firma denkt, sie macht jetzt mal ein großes Geschäft, indem sie Corona-Spürhunde ausbildet. Ich stelle mir das im Gegenteil so vor, wie es im Sprengstoffbereich gehandhabt wird: Hier brauchen Hundeführer und Hund jeweils eine Zertifizierung. Dafür ist genau geregelt, wie die Ausbildung und das Training auszusehen haben. Das könnte man sehr gut etablieren. Dafür existieren auch EU-Richtlinien, die man einfach übernehmen könnte. Man muss das Rad nicht immer neu erfinden.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.