Wie Migräne und die Periode zusammenhängen |
Bei vielen Frauen mit Migräne sind die Anfälle nicht gleichmäßig über den Zyklus verteilt. Oft kommt es rund um die Menstruation vermehrt zu Migräneattacken. / Foto: Getty Images/Jamie Grill
An der Entstehung von Migräneanfällen hat das stark gefäßerweiternde Neuropeptid Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) einen entscheidenden Anteil. Gleichzeitig können offensichtlich auch Geschlechtshormone das Auftreten von Migräneattacken steuern, insbesondere das Estrogen. Hierfür gibt es diverse Hinweise: Frauenleiden nicht nur deutlich öfter, sondern auch stärker an Migräne als Männer. Zudem treten Migräneanfälle bei Frauen häufig rund um die Regelblutung auf, aber auch bei Eintritt in die Wechseljahre – beides Situationen, in denen der Estrogen-Spiegel abfällt. Nach den Wechseljahren und während einer Schwangerschaft sinkt dagegen die Häufigkeit von Migräneattacken.
Wie hier genau die Zusammenhänge sind, war bislang aber noch nicht geklärt. Ein Team um Dr. Bianca Raffaelli von der Berliner Charité liefert nun im Fachjournal »Neurology« Belege dafür, dass ein Absinken des Estrogen-Spiegels den CGRP-Spiegel ansteigen lässt.
Die Forscher rekrutierten für ihre Studie insgesamt 180 Probandinnen, und zwar jeweils 30 Frauen mit/ohne Migräne im gebärfähigen Alter, die keine Hormone einnahmen, Frauen mit/ohne Migräne im gebärfähigen Alter, die orale hormonelle Kontrazeptiva einnahmen, sowie Frauen mit/ohne Migräne nach den Wechseljahren. Bei den Teilnehmerinnen im gebärfähigen Alter wurde zweimal der CGRP-Spiegel bestimmt. Bei denjenigen ohne hormonelle Verhütung geschah dies einmal an Tag 2 des Zyklus (also am Anfang der Periodenblutung) und einmal an Tag 13 (rund um den Eisprung), bei den Pillen-Anwenderinnen einmal am vierten Tag des hormonfreien Zeitraums und einmal an Tag 7 bis 14 der Hormoneinnahme. Bei den postmenopausalen Frauen wurde der CGRP-Spiegel einmal an einem zufällig gewählten Tag bestimmt.
Die Messungen ergaben, dass der CGRP-Spiegel bei den Migränepatientinnen im gebärfähigen Alter, die nicht die Pille einnahmen, während der Menstruation signifikant höher war als bei den Kontrollen, die nicht an Migräne litten. Bei den Pillen-Anwenderinnen sowie bei den postmenopausalen Frauen wurden dagegen in der Gruppe der Migränepatientinnen und in der Kontrollgruppe ähnliche CGRP-Spiegel gemessen.
Dies bestätigt aus Sicht Raffaellis, dass Hormonschwankungen bei Frauen Migräneanfälle auslösen können, aber nicht müssen. »Tatsächlich kann die Einnahme der Pille und das Ende der Wechseljahre manchen Migränepatientinnen Linderung verschaffen. Wie aber aus unserer Studie ersichtlich wird, gibt es Frauen, die auch ohne Hormonschwankungen Migräne bekommen«, führt sie in einer Pressemitteilung der Charité aus.
Warum allerdings auch die Einnahme der Pille nicht zwangsläufig jeder Frau mit Migräne hilft, zeigt ein weiteres Teilergebnis der Studie. Die Forscher bestimmten nämlich den CGRP-Spiegel der Probandinnen nicht nur im Blut, sondern auch in der Tränenflüssigkeit. Diese sei näher dran am Trigeminusnerv, der über das trigeminovaskuläre System alle Blutgefäße der äußeren Hirnhaut (Dura mater) und des Gehirns innerviert, und eigne sich daher zur Bestimmung der zentralen CGRP-Konzentration besser als die Messung im Blut, wo CGRP rasch abgebaut wird, schreiben sie zur Begründung.
Hier zeigte sich dann auch ein Unterschied, der ausschließlich Migränepatientinnen im gebärfähigen Alter betraf und davon abhing, ob sie die Pille einnahmen oder nicht: Bei Letzteren war nur der CGRP-Spiegel in der Tränenflüssigkeit, nicht aber der im Blut, während der Periode signifikant höher als bei den Pillen-Anwenderinnen. Die orale Einnahme von Hormonen führe zwar zu Änderungen der CGRP-Konzentration in der Peripherie, die zentrale Konzentration des Neuropeptids werde dadurch aber nicht beeinflusst, schlussfolgern die Autoren.