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Koscher, Halal und mehr

Wie Religion die Ernährung mitgestaltet

Essen ist nicht nur Ausdruck von geschmacklichen Vorlieben, Persönlichkeit oder gesundheitlichen Aspekten. Auch der Glaube spiegelt sich oft auf dem Teller wider. So gut wie jede Religion hat ihre eigenen Speisevorschriften. Sich daran zu halten, ist Zeichen von Zugehörigkeit und einem gottgefälligen Leben.
Inka Stonjek
28.06.2022  12:00 Uhr

An der Anzahl der Mitglieder in Religionsgemeinschaften gemessen, ist Deutschland ein größtenteils christlich geprägtes Land. Allerdings: Im Frühjahr 2022 machten die Mitglieder der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche zusammen zum ersten Mal weniger als 50 Prozent der gesamten Bevölkerung aus. Dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge umfasste die muslimische Bevölkerungsgruppe 2019 zwischen 5,3 und 5,6 Millionen Personen; ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung lag also zwischen 6,4 Prozent und 6,7 Prozent. 70 Prozent der befragten muslimischen Religionsangehörigen sagen von sich, die islamischen Speisevorschriften zu beachten, weitere 13 Prozent halten sich teilweise daran. Die jüdische Gesamtbevölkerung in Deutschland wird auf etwa 225.000 Personen geschätzt, von denen laut der Zentralwohlfahrtstelle der Juden in Deutschland 2020 etwa rund 94.000 Mitglieder in jüdischen Gemeinden organisiert waren.

Das Leben ist heilig, sagt die Tora. Deshalb trägt sie gläubigen Juden auf, sich um die Menschen zu kümmern und sorgsam und respektvoll mit Tieren und Pflanzen umzugehen. Aus ihren Anweisungen und den Interpretationen zahlreicher Rabbiner über zwei Jahrtausende hinweg haben sich die jüdischen Speisegesetze (»Kaschrut«) entwickelt, die im Talmud aufgeschrieben sind und denen praktizierende Juden bis heute folgen.

Demnach essen sie nur, was als »koscher« (wörtlich: tauglich, erlaubt) gilt. Im Kontext von Ernährung und Lebensmitteln wird der Begriff »koscher« sowohl für einzelne Zutaten verwendet als auch für daraus hergestellte Gerichte. Streng genommen muss eine Speise auch von einem Juden gekocht worden sein, um koscher zu sein. Ausnahmen sind jedoch bei industriell gefertigten Lebensmitteln oder in der Gastronomie möglich; ein Kompromiss kann sein, stattdessen die Zubereitung von einem Rabbiner beaufsichtigen zu lassen.

Koscher und trefe

Fleisch gilt nur als koscher, wenn es von Paarhufern und Wiederkäuern wie Schafen, Kühen oder Ziegen stammt; umgekehrt sind Schweine, Hasen, Pferde und Insekten »trefe«, also nicht erlaubt. Geflügel ist koscher, sofern es sich nicht um Raubvögel handelt. Gemäß dem Bibel-Vers »Koche nicht ein Böcklein in der Milch seiner Mutter« (Ex. 23:19) darf Fleisch nie mit Milchprodukten in Kontakt kommen, sondern nur mit neutralen (»parwe«) Zutaten wie Eiern, Gemüse oder Früchten. Kalbsgeschnetzeltes in Sahnesoße wird in einem jüdischen Haushalt also nicht geben. Zudem würde ein Milchdessert erst sechs Stunden nach dem Braten serviert werden, Fleischiges darf auf Milchiges aber in kürzerem Abstand folgen. Der Zentralrat der Juden sagt, dass auch pflanzliche Milchalternativen parwe sind. Solche Produkte können Milch ersetzen und so die Regeln der Kaschrut umgehen. Übrigens: Als parwe gilt auch Fisch, der Flossen und Schuppen haben muss, um koscher zu sein. Zusammen mit Fleisch wird er trotzdem nicht kombiniert. Umgekehrt gelten Garnelen, Shrimps und Tintenfische als trefe, ebenso wie Aal, der in der Evolution seine Flossen verloren hat.

Die Trennung von Fleisch und Milch geht bei streng gläubigen Juden sogar so weit, dass beide Speisen getrennt voneinander aufbewahrt werden und nicht auf den gleichen Tellern serviert werden dürfen. Praktizierende Juden besitzen Geschirr und Küchengeräte daher mindestens doppelt, spülen alles separat und bewahren es getrennt voneinander auf. Manche Juden haben Geschirr und Küchengeräte sogar vierfach im Haus, weil zu Pessach das gewöhnliche Alltagsgeschirr aus der Küche verbannt und gegen Geschirr getauscht wird, das ungesäuertem Brot vorbehalten ist. Das Pessach-Fest erinnert die Juden an den Auszug des Volkes aus Ägypten, der so schnell gehen musste, dass keine Zeit blieb, das Brot auf gewohnte Weise zu backen. Deshalb wird zu Pessach alles Gesäuerte aus dem Haus entfernt und stattdessen sogenanntes Mazze gegessen – ein einfaches Brot ohne Hefe aus Mehl und Wasser, ähnlich wie Knäckebrot.

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