Wirbelsäulen-Operation oft nicht notwendig |
Bei anhaltenden Rückenschmerzen unterziehen sich viele Patienten einer Operation an der Wirbelsäule. Das ist Schmerzmedizinern zufolge oft unnötig, mit einer konservativen Therapie lassen sich in vielen Fällen gleichwertige Erfolge erzielen. / Foto: Getty Images/Natalia Gdovskaia
Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten Schmerzerkrankungen und sind der dritthäufigste Grund für einen Arztbesuch. Auf der Suche nach Schmerzlinderung haben viele Patienten eine mehrjährige Odyssee mit verschiedenen Diagnoseverfahren wie mehrfachen Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen, Facharztbesuchen und Therapien von Schmerzmitteln bis hin zu Massagen, Krankengymnastik, Physiotherapie und wirbelsäulennahen Injektionstherapien hinter sich. Am Ende erfolgt dann oft eine Operation an der Wirbelsäule, bei der jedoch häufig die erhoffte Schmerzlinderung ausbleibt oder sich die Schmerzen sogar verstärken.
So zumindest schildert der Schmerzmediziner Dr. Michael Küster aus Bonn die Versorgungslage von Rückenschmerzpatienten in Deutschland aufgrund eigener Erfahrungen aus seiner Schmerzpraxis. Dabei wurde er unterstützt von seinem Co-Referenten, dem Präsidenten der Deutschen Schmerzliga (DSL), Privatdozent Michael A. Überall, Nürnberg. Anlässlich eines im März gehaltenen Rückenschmerz-Symposiums beim Deutschen Schmerz- und Palliativtag verdeutlichten die Experten, welche Probleme sie bei der Versorgung der Schmerzpatienten sehen.
Die Deutsche Schmerzliga ist eine Organisation für Patienten mit chronischen Schmerzen, ein gemeinnütziger Verein, der 1990 von Ärzten und Patienten gegründet wurde. Überall ist zudem Vize-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) und Geschäftsführer eines Unternehmens, das für die Qualitätssicherung und die medizinische wissenschaftliche Begleitung von Zweitmeinungsverfahren vor schmerzbedingten Operationen an der Wirbelsäule sowie verschiedener integrierter Versorgungskonzepte zur Behandlung der Rückenschmerzen verantwortlich ist.
Laut Überall gibt es seit Jahren nicht nur kontinuierlich mehr Rückenschmerzpatienten, sondern auch eine parallel dazu steigende Zahl bildgebender Untersuchungen. Allerdings, so Überall, werde aus dem Symptom Schmerz und einer Auffälligkeit in der Bildgebung häufig ein Kausalzusammenhang hergestellt, der in den meisten Fällen gar nicht existiert. Eine Metaanalyse etwa weist auf eine hohe Rate falsch positiver radiologischer Befunde bei Menschen ohne Rückenschmerzen hin.
Schmerzmediziner Küster, ebenfalls Vizepräsident der DGS, sagt dazu: »Ab einem Alter von 20 Jahren findet der Spezialist fast immer eine von der ‘Norm’ abweichende Veränderung im Röntgenbild, die leider oft mit Begriffen von Krankheiten beschrieben wird, obwohl sie altersgerecht ist. Diese Veränderung muss aber nicht die Ursache des Symptoms, hier der Rückenschmerz, sein. Wichtig ist daher die richtige klinische Diagnose.«
Dass eine Operation an der Wirbelsäule nicht unbedingt die Schmerzursache behebt, zeigen mehrere Studien: Operationen an der Wirbelsäule haben keinen positiven Effekt hinsichtlich der Schmerzlinderung gegenüber nur scheinbar durchgeführten Operationen (Placebo-Operationen). Überall sagt: »Bei Wirbelsäuleneingriffen wegen Rückenschmerzen zeigen Studien, dass es keinen Hinweis darauf gibt, dass die Operation wirklich besser ist als eine sinnvoll durchgeführte konservative Behandlung. Aber Studien zeigen, dass diese Operationen zu einem gewissen Prozentsatz mit Nebenwirkungen vergesellschaftet sind.«