Wirkungen und Grenzen von Vitamin D |
Um den Vitamin-D-Status zu bestimmen, wird die Speicherform 25-Hydroxy-D3, kurz 25(OH)D, im Blutserum gemessen. Der aktive Metabolit weist im Serum nur eine Halbwertszeit von unter vier Stunden auf und ist daher zur Bestimmung nicht geeignet. Die gesetzlichen Krankenversicherungen übernehmen die Kosten für die Laboruntersuchung von etwa 25 bis 35 Euro allerdings in der Regel nicht. Das Ergebnis erhält der Patient in den Einheiten nmol/l oder ng/ml. Für die Umrechnung von nmol/l in ng/ml teilt man den Wert durch 2,5.
Welcher Vitamin-D-Wert jedoch »gesund« ist oder präventiv wirkt, ist unklar. Normwerte werden in der Regel auf die Knochengesundheit bezogen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) beziehen sich dafür auf die international häufig genutzte Klassifikation des US-amerikanischen Institute of Medicine (IOM). Demnach gilt, dass eine 25(OH)D-Serumkonzentration ab 50 nmol/l beziehungsweise ab 20 ng/ml auf eine ausreichende Versorgung zum Erhalt der Knochengesundheit schließen lässt. Serumwerte von unter 30 nmol/l beziehungsweise unter 12 ng/ml bedeuten hingegen eine mangelhafte Vitamin-D-Versorgung mit einem erhöhten Risiko für Krankheiten wie Osteomalazie und Osteoporose.
Die DEGS1-Erhebung aus 2015 zeigt, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland (61,6 Prozent) nicht die wünschenswerte Konzentration 25-(OH)D von 50 nmol/l erreicht, 30,2 Prozent kommen sogar nur auf einen Wert unter 30 nmol/l. »Ein einmalig festgestellter, zu geringer Vitamin-D-Wert als Punkt-Analyse bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass ein langfristiger Mangel vorliegt, der bei Erwachsenen klinische Symptome wie Osteomalazie oder Osteoporose auslöst oder eine Rachitis bei Kindern«, sagt Biesalski. Bei der Beurteilung des Wertes berücksichtigen Ärzte zudem, dass der Vitamin-D-Status starken saisonalen Schwankungen unterliegt.
25(OH)D in nmol/l | 25(OH)D in ng/ml | Interpretation nach IMO-Klassifizierung |
---|---|---|
<30 | <12 | Mangelhafte Versorgung mit einem erhöhten Risiko für Krankheiten wie Rachitis, Osteomalazie und Osteoporose. |
30–<50 | 12–<20 | Suboptimale Versorgung mit möglichen Folgen für die Knochengesundheit. |
50–<75 | 20–<30 | Ausreichende Versorgung in Bezug auf die Knochengesundheit. |
75–<125 | 30–<50 | Ausreichende Versorgung in Bezug auf die Knochengesundheit ohne weiteren Zusatznutzen für die Gesundheit. |
≥125 | ≥50 | Mögliche Überversorgung, die für den Körper negative gesundheitliche Folgen haben kann, zum Beispiel Hypercalcämien, die zu Herzrhythmusstörungen oder Nierensteinen führen können. |
Noch unklar ist, inwiefern eine unzureichende Versorgung mit Vitamin D die Entstehung von Krankheiten beeinflusst. So zeigen Untersuchungen, dass ein niedriger Vitamin-D-Status mit einem höheren Risiko für Atemwegsinfektionen einhergehen kann. Umgekehrt kann Studien zufolge bei schlechter Vitamin-D-Versorgung (Serumkonzentration < 25 nmol/l oder 10 ng/ml) eine Supplementation akuten Atemwegsinfekten vorbeugen. Bei Kindern könnte eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung das Risiko verringern, dass sich ein bestehendes Asthma verschlechtert. Für Erwachsene lässt sich diese Aussage aufgrund mangelnder Daten nicht bestätigen.
Einen günstigen Einfluss könnte Vitamin D jedoch bei Menschen haben, die an COPD leiden – allerdings unter der Voraussetzung, dass vorher ein Vitamin-D-Mangel bestanden hat. Dasselbe könnte für einen erhöhten Blutdruck gelten. So zeigte sich im Tierversuch, dass ein Vitamin-D-Mangel über eine Wechselwirkung mit dem Renin-Angiotensin-System den Blutdruck erhöhen kann und im Umkehrschluss eine ausreichende Versorgung durch die Hemmung des Renin-Aldosteron-Angiotensin-Systems den Blutdruck senkt.
Für viele der mutmaßlichen Wirkungen fehlen aber noch ausreichende Daten aus klinischen Studien, auch dazu, ob eine therapeutische Wirkung bei schweren Depressionen und Diabetes mellitus Typ 1 besteht oder ob eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung vor chronischen Krankheiten wie Morbus Parkinson oder Multipler Sklerose schützen könnte. Gelegentlich wird auch mehr in Daten hereininterpretiert, als tatsächlich ausgesagt werden kann. So wurde auch das Ergebnis der groß angelegten Studie VITamin D and OmegA-3 TriaL (VITAL) in den USA missdeutet, wonach eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D für weniger Krebstote sorgen könnte. Tatsächlich schützt Vitamin D bisherigen Erkenntnissen nach aber nicht davor, an Krebs zu erkranken. Krebspatienten allerdings, die ausreichend versorgt sind, entwickeln seltener fortgeschrittene Krebsstadien (metastasierend oder tödlich). Hier könnte eine Supplementation durchaus sinnvoll sein, um die Prognose der Patienten zu verbessern.
Biesalski erklärt noch einen weiteren Grund, warum es so schwierig ist, Zusammenhänge richtig zu bewerten. »In Beobachtungsstudien zeigt sich zwar mitunter, dass Patienten mit einem Vitamin-D-Mangel häufiger bestimmte Krankheiten entwickeln können. Was jedoch nicht immer beachtet wird, ist der gesamte Lebensstil. Wer gut mit Vitamin D versorgt ist, hält sich in der Regel auch mehr im Freien auf, bewegt sich mehr und achtet möglicherweise insgesamt mehr auf seine Gesundheit.«
Auch ob ein Vitamin-D-Mangel Ursache oder Folge einer Krankheit ist, lässt sich oft nicht eindeutig feststellen, etwa bei Covid-19. Zwar wurde von verschiedenen Seiten wiederholt eine präventive oder therapeutische Wirkung von Vitamin D hinsichtlich einer Infektion mit SARS-CoV-2 suggeriert, allerdings gibt es dafür keinen klinischen Beweis. Epidemiologische Daten aus den USA und Europa deuten eher auf eine umgekehrte Kausalität hin, also dass ein Vitamin-D-Mangel Folge, nicht Ursache von Covid-19 ist. Niedrige Vitamin-D-Spiegel könnten auch mit einem aus anderen Gründen erhöhten Erkrankungsrisiko wie hohes Alter, Adipositas oder Multimorbidität in Zusammenhang stehen.