Wurmerkrankungen weltweit ein Thema |
Vor allem in weniger entwickelten Ländern sind Menschen dem Risiko eines Wurmbefalls ausgesetzt. / Foto: Imago/Imagebroker
Etwa 150 verschiedene Würmer haben ihr Zuhause im Menschen. Die kleinsten sind nicht mal einen Millimeter groß, die größten werden über zehn Meter lang. Diese genialen Überlebenskünstler haben sich perfekt an ihre Umwelt im menschlichen Körper angepasst. Sie können sich so in den Organismus integrieren, dass sie das Immunsystem nicht attackiert. Ein Drittel der Menschheit ist mit einem oder mehreren Wurmparasiten infiziert, die meisten davon leben in weniger entwickelten Ländern.
Im medizinischen Sprachgebrauch sind Helminthen Parasiten, die in den Organen von Mensch und Tier leben. Wurmerkrankungen rufen nur einige der zoologischen Stämme hervor, und zwar hauptsächlich Nematoden (Rundwürmer), Trematoden (Saugwürmer) und Zestoden (Bandwürmer).
Der Stamm der Nematoden ist die artenreichste Gruppe unter den Vielzellern und umfasst mehr als 20.000 verschiedene Arten.
Am häufigsten besiedeln Oxyuren (Madenwürmer) den Menschen, Schätzungen zufolge tragen zwischen 400 Millionen und mehr als einer Milliarde Menschen diese Parasiten in sich. Wenn hierzulande ein Patient, meist sind das Kinder, an einer Wurmerkrankung leidet, dann sind in der Regel Madenwürmer die Ursache. Sie gelangen auf fäkal-oralem Weg in ihren Wirt. Nachts kriechen die Weibchen aus dem Darm in den After und legen dort bis zu 10.000 Eier ab. Das löst einen starken Juckreiz aus. Beim unausweichlichen Kratzen bleiben Eier an den Händen haften und wandern vor allem bei Kindern in den Mund. Damit beginnt ein neuer Lebenszyklus der Schmarotzer.
Weniger häufig gibt es hierzulande infektionen mit Spulwürmern (Askariden). Am häufigsten erfolgt die Infektion mit Ascaria lumbricoides durch orale Aufnahme der Eier mit durch Fäkalien verunreinigten Lebensmitteln. Meist sind diese Parasiten unliebsame Urlaubsmitbringsel aus Ländern mit geringem Hygienestandard. Dort ist es üblich, die landwirtschaftlichen Anbauflächen mit Fäkalien zu düngen. Im feuchtwarmen Klima überleben die Eier bis zu vier Jahre im Boden und kontaminieren dort angebautes Obst oder Gemüse. Aus den aufgenommenen Wurmeiern schlüpfen im Darm zunächst die infektiösen Larven. Bis sie nach rund drei Monaten zu geschlechtsreifen Tieren herangewachsen sind, wandern sie zunächst in die Leber und von dort in die Lunge. Hier verlassen sie das Blut und gelangen über die Luftröhre in den Rachen und über die Speiseröhre in den Dünndarm. Dort wachsen die Männchen auf eine Größe von 25 cm heran, Weibchen werden bis zu 40 cm lang. Bis zu 200 erwachsene Würmer können den Darm besiedeln. Mit dem Kot gelangen täglich pro Weibchen etwa 200.000 befruchtete Eier nach außen.
Haben die Larven die Lunge erreicht, bemerken die Patienten einen trockenen Husten und Atemnot, später auch Fieber, Bluthusten und Koliken. An den Folgen der Erkrankung wie Verschluss der Gallengänge und des Darms, Lungenentzündung und Nährstoffmangel sterben jährlich weltweit etwa 20.000 Menschen.
In tropischen Regionen rund um den Globus, mit Ausnahme von Australien, sind die ebenfalls zu den Nematoden gehörenden Filarien zu Hause. Wucheria bancrofti, Brugian malayi und Brugia timor sind die Erreger der lymphatischen Filariose. Anophelesmücken übertragen ihre Larven, die so genannten Mikrofilarien, auf den Menschen. Die adulten Tiere leben in den Lymphbahnen und -knoten, wo sie durch Knäuelbildung einen Lymphstau hervorrufen. Nach den extrem geschwollenen Gliedmaßen der Betroffenen trägt die Krankheit auch den Namen Elephantiasis.
In Zentralafrika ist Loa Loa oder der Augenwurm wohl eine der befremdlichsten Wurmerkrankungen. Bremsen der Gattung Chrysops übertragen seine Larven mit einem Stich in die Haut. Im Unterhautfettgewebe des Wirtes wachsen sie zu den adulten Würmern heran, die ihre Eier ins Blut abgeben, wo sie erneut durch stechende Bremsen aufgenommen werden. Die ausgewachsenen Parasiten wandern pro Minute eine Strecke von einem Zentimeter durch den Körper und bilden die hühnereigroßen Kalabar-Beulen unter der Haut. Ihre Lebenserwartung beträgt bis zu 20 Jahre. Für den Wirt wird es gefährlich, wenn der Augenwurm den Kehlkopf befällt – das kann zur Erstickung führen –, den Herzmuskel und das Gehirn.
In afrikanischen und mittelamerikanischen Endemiegebieten entlang verschiedener Flüsse verbreitet ist die Flussblindheit (Onchozerkose). Am Wasser lebende Kriebelmücken übertragen die Larven von Onchocerca volvulus beim Stich durch die Haut. Erreichen sie die Geschlechtsreife, bilden die Würmer Knäuel im subkutanen Bindegewebe und wandern langsam im Körper nach oben. Erreichen sie das Auge, führt das häufig zum Erblinden. Weltweit sind über 30 Millionen Menschen infiziert.
Die beiden Hakenwürmer Ancylostoma duodenale und Necator americanus sind vor allem in tropischen und subtropischen Gebieten, teilweise auch am Mittelmeer verbreitet. Mit Fäkalien gelangen ihre Eier in den Erdboden. In genügend feuchter und warmer Umgebung schlüpfen dort die Larven, die bis zu einem Monat lebensfähig sind. Kommt Haut mit der Erde in Kontakt, wie beim Barfußlaufen, bohren sie sich durch die Haut und wandern bis zur Lunge. Dort lösen sie einen Hustenreiz aus und warten im Rachen darauf, dass sie ihr Wirt verschluckt. Im Dünndarm haken sie sich schließlich mit Hilfe eines Zahnpaares fest. Pro Tag nimmt jeder Wurm etwa 30 Mikroliter Blut auf. Es können blutige Durchfälle und Anämien auftreten, sogar ein tödlicher Ausgang durch Herzversagen ist möglich. Die etwa einen Zentimeter langen Nematoden können ungefähr ein Jahr alt werden.
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Die gleiche Taktik verfolgt der Zwergfadenwurm (Strogyloides stercoralis). Er lebt entweder parasitisch an der Darmwand, unter der Haut oder aber ohne Wirt frei im Boden.
Der Peitschenwurm Trichuris trichiura ist ebenfalls in tropischen Ländern zu Hause. Die vier bis fünf Zentimeter großen Würmer leben im Darm, ihre Eier scheidet der Patient mit dem Stuhl aus. Eine Ansteckung erfolgt vorwiegend auf fäkal-oralem Weg. Nur ein ausgeprägter Befall löst Symptome aus, vor allem Koliken, Durchfälle und Anämien.
Die im tropischen Afrika beheimateten Pärchenegel (Schistosoma) verursachen mehrere Formen der Bilharziose beim Menschen (siehe Ausgabe 7/2020). Häufig sind die Bewohner der Endemiegebiete von mehreren Parasitenarten gleichzeitig befallen, was vor allem für Kinder, Schwangere und alte Menschen kritisch ist. Sie werden so leichter Opfer schwerwiegender Infektionen wie zum Beispiel HIV.
Die Behandlung einer Wurmerkrankung ist nicht aufwändig, für die Menschen in Schwellenländern jedoch meist nicht erschwinglich oder nicht zugänglich.
Am Beginn der Therapie steht der Erregernachweis, der unter Beachtung der Entwicklungszeiten der Parasiten mit Hilfe mikroskopischer Untersuchungen einer oder mehrerer Stuhlproben erfolgt. Entsprechend wählt der Arzt das Anthelminthikum aus.
Das breiteste Wirkspektrum hat der Arzneistoff Albendazol (Eskazole®), er tötet Maden- und Spulwürmer, Trichinen, Peitschen-, Haken-, Bandwürmer und den Zwergfadenwurm ab. Maden-, Faden-, Bandwürmer und Trichinen erfasst der Wirkstoff Mebendazol (Vermox®, Vermox®forte). Gegen Maden-, Spul- und Hakenwürmer wirkt Pyrantel (Helmex®). Praziquantel (Cysticide®, Biltricide®) kommt zum Einsatz bei einem Befall mit Saug- oder Bandwürmern. Spezialisten sind die Wirkstoffe Pyrvinium (Molevac®, Pyrcon®) zur Behandlung von Madenwurminfektionen und Niclosamid (Vermox®) gegen Bandwürmer.
Hinweis: Für Schwangere und Stillende sind die meisten der aufgeführten Arzneimittel ungeeignet.
Bei allem Ekel vor den Parasiten: Der Mensch kann durchaus auch von ihnen profitieren. Vermutlich haben Menschen schon immer unter Wurmerkrankungen gelitten. In dieser langen Evolutionszeit konnten sich die Würmer perfekt an ihren Wirt anpassen. Sie produzieren Stoffe, die Entzündungsreaktionen verhindern oder Abwehrreaktionen unterdrücken. Forscher führen die Zunahme von Allergien oder Autoimmunkrankheiten auch darauf zurück, dass die Menschen in den Industriestaaten aufgrund der hohen Hygienestandards kaum noch mit Wurmerkrankungen in Kontakt kommen. Sie arbeiten gegenwärtig daran, Wurmeier oder Substanzen daraus als Arzneimittel gegen Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose oder entzündliche Darmerkrankungen zu nutzen.