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Risiko bestätigt

Zahnschäden unter sublingualem Buprenorphin

Patienten, die Buprenorphin als sublinguale Zubereitung anwenden, haben ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende dentale Schäden wie Zahnerosion oder Verlust von Zähnen. Die Ergebnisse einer Beobachtungsstudie kanadischer Forscher legen die Empfehlung nahe, die Fach- und Gebrauchsinformationen in Europa entsprechend anzupassen.
Wiebke Gaaz
15.03.2023  12:00 Uhr

Das Team um Dr. Mahyar Etminan wertete für die Studie Patientendaten aus der PharMetrics-Datenbank aus, die unter anderem ärztliche Diagnosen und Verschreibungen aus dem Krankenhaus- und dem ambulanten Sektor erfasst. Die Wissenschaftler konnten so insgesamt 21.404 Neuanwender von sublingualem Buprenorphin/Naloxon identifizieren. Sie kreierten zudem zwei Vergleichsgruppen: 5385 Neuanwender von transdermalem Buprenorphin (Transtec® und Generika) und 6616 Neuanwender von oralem Naltrexon. Die Beobachtung umfasste den Zeitraum von 2006 bis 2020. Die Patienten wurden bis zum ersten unerwünschten Ereignis, das die Zähne oder das Zahnfleisch betraf, nachverfolgt. Als zweiten Endpunkt notierten die Wissenschaftler das Auftreten von Zahnkaries oder Zahnverlust.

Die Auswertung der Daten zeigte, dass das Risiko für das Auftreten von Zahnschäden bei den Patienten am höchsten war, die eine sublinguale Zubereitung von Buprenorphin plus Naloxon anwendeten (21,6 dentale Störwirkungen pro 1000 Patientenjahre gegenüber 12,2 unter transdermalem Buprenorphin beziehungsweise 10,9 unter oralem Naltrexon). Auch nach Ausschluss von Rauchern und Patienten mit Opioid-, illegalem Drogen- beziehungsweise Alkoholkonsum oder Diabetes mellitus schnitt sublinguales Buprenorphin plus Naloxon in Bezug auf Zahnschäden signifikant schlechter ab als Naltrexon oder transdermales Buprenorphin.

Saure Reaktion im Mund

Die Studienautoren vermuten als Schädigungsmechanismus die Verweildauer von fünf bis zehn Minuten unter der Zunge. Buprenorphin allein (zum Beispiel Subutex®, Temgesic®) und die Kombination mit Naloxon (zum Beispiel Suboxone®) reagiert von Natur aus sauer. Zudem tritt unter Buprenorphin häufig Mundtrockenheit auf. Laut Gebrauchsinformation sollten Patienten Zähne und Zahnfleisch nach Auflösung der Tablette mit Wasser umspülen, dieses schlucken und frühestens nach einer Stunde Zähne putzen. Zudem werden regelmäßige zahnärztliche Kontrollen angeraten.

Sublinguale Buprenorphin-Zubereitungen enthalten in den USA bereits seit einem Jahr einen Warnhinweis zu unerwünschten Wirkungen an den Zähnen, nachdem über 300 Fallberichte zu Zahnschäden bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA eingegangen waren. In Europa sind die Hersteller zwar zu einem Monitoring von Fallberichten zu Zahnkaries und Zahnausfall verpflichtet, allerdings findet sich nur bei sublingual anzuwendendem Buprenorphin zur Opioidsubstitution ein Hinweis zu Nebenwirkungen an den Zähnen, nicht jedoch bei Präparaten zur Schmerztherapie oder bei der Kombination mit Naloxon.

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