Zeckenbissfieber: Kleiner Stich mit großer Wirkung |
En passant auf das Opfer gelangen oder es gezielt suchen - verschiedene Zeckenarten gehen unterschiedliche Wege, um ihr Ziel zu erreichen. / Foto: Adobe Stock/Smileus
Zecken sind Spinnentiere und gehören zur Unterklasse der Milben. Sie ernähren sich ausschließlich vom Blut aus Warmblütern, wobei viele von ihnen auf bestimmte Wirte spezialisiert sind. Generell machen sie jedoch keinen Unterschied zwischen den einzelnen Spezies.
Haben sie mit Hilfe der Geruchssensoren in ihrem Haller-Organ ihr Opfer ausgewählt, suchen sie mitunter mehrere Stunden auf seinem Körper nach einer gut durchbluteten Stelle, an der sie unbemerkt Blut saugen können. Im Gegensatz zu Mücken stechen sie nicht direkt in die Blutbahn, sondern reißen mit ihren Mundwerkzeugen eine Wunde in die Haut ihres Wirtes. Diese Wunde füllt sich mit Blut aus den verletzten Kapillaren des umliegenden Gewebes. Mit dem so genannten Hypostom, einem mit Widerhaken versehenen Stechrüssel, saugen sie dieses Blut auf. Erwachsene Zecken können bis zum Hundertfachen ihres eigenen Gewichtes aufnehmen. Je nach Art der Zecke dauert dieser Vorgang mehrere Stunden bis Wochen. In dieser Zeit gibt die Zecke in Abständen enzymhaltigen Speichel in die Wunde, um die Gerinnung des Blutes zu verhindern und Entzündungsreaktionen zu unterdrücken. Dieser Speichel kann Viren und Bakterien enthalten, die so auf direktem Wege die Blutbahn des Wirtes erreichen.
Da Zecken im Verlauf ihres Entwicklungszyklus an mehreren Wirten Blut saugen, sind sie ideale Krankheitsüberträger. Sie transferieren mehr Arten von Erregern als jeder andere tierische Parasit. Gegen hohe und tiefe Temperaturen, Trockenheit und Nahrungsmangel sind sie extrem widerstandsfähig, manche Arten können widrige Bedingungen viele Jahre überleben. Weltweit gibt es mehr als 850 Arten, die beiden wichtigsten Familien sind die Lederzecken (Argasidae) und die Schildzecken (Ixodidae), zu denen auch der bekannte Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) gehört.
In Deutschland übertragen hauptsächlich Schildzecken die beiden hier häufigsten Infektionen: FSME und Lyme-Borreliose. Ixodes ricinus ist der Vektor sowohl für das FSME-Virus aus der Gattung der Flaviviren als auch für Borrelien (Borrelia Burgdorferi).
Etwa drei von 10.000 Personen infizieren sich jährlich bundesweit mit einer Borreliose. Die Bakterien leben im Darm etwa jeder fünften Zecke und gelangen nicht sofort mit dem Stich in die Blutbahn des Wirtes. Je länger die Zecke jedoch unentdeckt saugen kann, umso größer ist das Risiko einer Infektion. Etwa 0,3 bis 1,4 Prozent der Stiche ziehen eine Infektion nach sich. Den Parasiten frühzeitig zu entfernen, schützt demnach am wirksamsten vor einer Borreliose. Außerdem kann eine Antibiotika-Gabe (Doxycyclin oder Azithromycin) im ersten Krankheitsstadium die Borreliose ausheilen. Bei zwei bis fünf Prozent der Erkrankten entwickelt sich ein chronischer Verlauf mit neuronaler Beteiligung, dem so genannten Post-Lyme-Syndrom.
Lange Hosen, Strümpfe und geschlossene Schuhe verwehren Zecken den Weg zur Haut. / Foto: iStock/vvvita
FSME-Erreger finden sich im Unterschied zu den Borrelien im Speichel der Zecke und gelangen bereits zu Beginn der Blutmahlzeit in die Blutbahn des Wirtes. Das Risiko einer Infektion ist aber trotzdem wesentlich geringer als für eine Borreliose. Nur knapp 500 Fälle melden die Mediziner jährlich an die Gesundheitsämter in Deutschland. Das liegt daran, dass weniger Zecken Träger des Virus sind, in Risikogebieten 0,5 bis 2 Prozent. Tritt die Erkrankung auf, verläuft sie in 50 Prozent der Fälle schwer, mit einer Entzündung des Gehirns, der Hirnhäute oder des Rückenmarks und teilweise irreversiblen Lähmungen. Die Risikogebiete verschieben sich im Gefolge der Erderwärmung immer weiter nach Norden, so dass zurzeit neben Bayern und Baden-Württemberg die südlichen Landkreise von Hessen, Thüringen und Sachsen zu den FSME-Risikogebieten gehören. Eine Therapie ist noch nicht verfügbar. Es gibt jedoch eine gut wirksame Impfung, die die Gesetzlichen Krankenkassen für die Einwohner der Risikogebiete und für beruflich exponierte Personen finanzieren.
Außerhalb Deutschlands liegen FSME-Gebiete unter anderem in Österreich, Osteuropa, Kroatien, Ungarn, Schweden und Finnland. Vor einer Reise in diese Länder sollten daher auch Überlegungen zum Impfschutz eine Rolle spielen.
Auwaldzecken (Dermacentor reticulatus) sind in Deutschland selten und machen etwa ein Prozent der Zeckenstiche aus. Sie übertragen zum Beispiel Babesien und Rickettsien. Letztere lösen zum Beispiel das Mittelmeer-Fleckfieber aus, das hauptsächlich in den Regionen um das Mittelmeer vorkommt. Es äußert sich mit einem Exanthem an Gesicht, Händen und Füßen und verläuft in der Regel ohne Komplikationen.
Zwischen Kanada und Kolumbien übertragen Schildzecken Rickettsien (Rickettsia rickettsii), die Erreger des Rocky Mountain Spotted Fever. Diese relativ häufige Infektionskrankheit beginnt etwa eine Woche nach dem Stich mit Fieber, Hautausschlag und Muskelschmerzen. In seltenen Fällen erleiden die Patienten eine Hirnentzündung oder einen schweren Verlauf mit einem Befall der Lunge oder der Nieren. Je schneller die Krankheit ausbricht, umso schwerer verläuft sie. Mit Antibiotika (Doxycyclin, Chloramphenicol) ist die bakterielle Infektion gut behandelbar, trotzdem versterben immer noch 3 bis 5 Prozent der Patienten.
Entwickelt sich auf der Hut ein Erythema migrans, bedarf es dringend einer Therapie. / Foto: Shutterstock
Das Krim-Kongo-Fieber tritt in Südosteuropa, im Mittleren Osten, Asien und Afrika auf. Verursacher ist ein Bunya-Virus, das Crimean-Congo Haemorrhagic Fever Virus, das vor allem Weidetiere befällt. Als Vektor fungieren Hyalomma-Zecken, eine Gattung der Schildzecken, die südlich des Balkans beheimatet sind. Zugvögel bringen diese Zecken mitunter auch nach Europa, wo sie sich in heißen und trockenen Sommern weiter vermehren können. Im Juni 2019 fanden Forscher in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen erstmals Tiere, die augenscheinlich den letzten Winter hier überlebt haben. Eine der Zecken trug Rickettsia aeschlimannii in sich, den Erreger des Zecken-Fleckfiebers. Bunya-Viren fanden die Forscher in den Tieren bisher noch nicht. Hyalomma sind deutlich größer als Ixodes ricini und verfolgen ihre potenziellen Wirte aktiv. Beim Biss eines infizierten Tieres gelangen die Bunya-Viren in den Verdauungstrakt der Zecke, wo sie einige Zeit überleben. Mit dem Speichel überträgt sie die Zecke beim nächsten Biss auf den neuen Wirt. Nach zwei bis neun Tagen treten neben Fieber großflächige Blutungen in Armen und Beinen auf. Ein Drittel der Infizierten stirbt an inneren Blutungen. In der Türkei und in Spanien sind bereits Menschen am Krim-Kongo-Fieber gestorben. Eine Impfung oder kausale Therapie gibt es bisher noch nicht.
Neben diesen Erkrankungen übertragen Zecken eine Reihe seltener Krankheiten. Eine davon machte im Sommer 2019 von sich reden, als in Schweden ungewöhnlich viele Fälle von Tularämie auftraten. Diese auch als Hasenpest bezeichnete Infektionskrankheit ist auf der gesamten nördlichen Halbkugel bei Wildtieren, vorwiegend Nagern, verbreitet. Die Übertragung erfolgt in der Regel durch Tierkontakte sowie durch blutsaugende Insekten und Schildzecken. Verantwortlich ist das Bakterium Francisella tularensis. Beim Menschen verläuft die Erkrankung schwer und teils lebensbedrohlich und äußert sich mit Fieber, Haut- und Schleimhautulcera und schweren Entzündungen innerer Organe. Trotz Antibiotika-Behandlung versterben im Mittel fünf von 100 Patienten.
Ebenfalls auf der Nordhalbkugel und in Südafrika kommt das Zecken-Rückfallfieber vor, das in seinen Symptomen der bekannten Borreliose ähnelt und auch durch Borrelien verursacht wird. Der beste Schutz vor von Zecken übertragenen Krankheiten ist, so verfügbar, eine Impfung. Da diese Möglichkeit bisher nur in sehr wenigen Fällen besteht, spielt die persönliche Vorsorge eine umso größere Rolle. Dazu gehören das Tragen langer, heller Kleidung und das Absuchen des Körpers nach Zecken im Anschluss an einen Aufenthalt im Freien. Repellentien schützen nur etwa für zwei Stunden, Freizeitsportler und Waldarbeiter müssen sie deshalb in Abständen immer wieder auftragen.