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Achondroplasie

Zielgerichtete Therapie bei Kleinwuchs

Dysproportionierter Kleinwuchs, die sogenannte Achondroplasie, ist vor allem durch stark verkürzte Extremitäten im Vergleich zum Rumpf gekennzeichnet. Mit Vosoritid (Voxzogo®, Biomarin) steht nun erstmals eine zielgerichtete Therapie auf dem deutschen Markt zur Verfügung.
Sven Siebenand
08.10.2021  15:20 Uhr

Achondroplasie ist selten. Sie tritt bei etwa einer von 25.000 Lebendgeburten auf. Pro Jahr kommen in Deutschland circa 30 Kinder mit Achondroplasie zur Welt. Die Diagnose der Erkrankung erfolgt meist kurz nach der Geburt, mittlerweile aber auch häufig schon pränatal bei einer Ultraschalluntersuchung. Die durchschnittliche Körpergröße von erwachsenen Frauen und Männern mit Achondroplasie liegt bei 125 cm beziehungsweise 130 cm.

Achondroplasie ist genetisch bedingt. Ursache ist eine Mutation im Gen für den Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor 3 (FGFR3). Dieser reguliert die Umwandlung von Knorpel- in Knochensubstanz an der Wachstumsfuge der Knochen. Aus einer Daueraktivität von FGFR3 resultiert eine frühzeitige Verknöcherung des Knorpels. Neben dem Kleinwuchs können Komplikationen wie eine Stenose des Foramen magnum (Hinterhauptsloch), Schlafapnoe, O-Beine, eine Spinalkanalstenose und häufige Mittelohrentzündungen auftreten.

Wie wirkt Vosoritid? Dazu muss man wissen, dass das C-Typ-natriuretische Peptid (CNP) im Körper ein natürlicher Gegenspieler des wachstumshemmenden FGFR3-Signalweges ist. CNP bindet an einen bestimmten Rezeptor auf Knorpelzellen und regt deren Proliferation und Differenzierung sowie die Bildung der Knorpelmatrix an. Es hilft damit, dem übermäßig negativen Signal des mutierten FGFR3 entgegenzuwirken. Der neue Arzneistoff Vosoritid wirkt ebenso. Es handelt sich um ein modifiziertes rekombinantes Analogon von CNP. Die Halbwertszeit ist dabei deutlich länger als jene von CNP. Kinder, die in einer Studie Vosoritid erhielten, wuchsen während des ersten Behandlungsjahres etwa 1,5 cm mehr als die Kinder, die Placebo erhielten. Hochgerechnet auf zum Beispiel zehn Jahre könnten sich somit 15 zusätzliche Zentimeter an Körpergröße ergeben.

Vosoritid ist zugelassen ab einem Alter von zwei Jahren und darf so lange eingesetzt werden, bis die Wachstumsfuge endgültig geschlossen ist. Das ist durchschnittlich im Alter von 14 bis 16 Jahren der Fall. Das neue Medikament sollte so früh wie möglich nach der Diagnose zum Einsatz kommen und muss einmal pro Tag subkutan injiziert werden. Die übliche Dosis beträgt 15 mg/kg Körpergewicht. Zu den empfohlenen Injektionsstellen am Körper gehören der zentrale Bereich auf der Vorderseite der Oberschenkel, der untere Teil des Bauchs mit Ausnahme von einem Bereich von 5 cm direkt um den Bauchnabel, der obere Teil des Gesäßes und die Rückseite der Oberarme. Dieselbe Injektionsstelle sollte nicht zwei Tage nacheinander verwendet werden. Voxzogo darf nicht an Stellen injiziert werden, die gerötet, geschwollen oder verhärtet sind.

In der Fachinformation wird ferner dazu geraten, dass die Patienten etwa 30 Minuten vor der Injektion einen kleinen Imbiss zu sich nehmen und ein Glas Flüssigkeit trinken. So wird die Wahrscheinlichkeit verringert, dass Anzeichen und Symptome einer möglichen Blutdrucksenkung, auftreten. Neben Hypotonie zählen auch Reaktionen an der Injektionsstelle sowie Erbrechen zu den sehr häufig beobachteten Nebenwirkungen. 

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