Zögerliches Impfverhalten gefährdet Kinder |
Elke Wolf |
06.01.2022 16:20 Uhr |
Bei etablierten Impfungen wie gegen Diphtherie oder Keuchhusten sind die Impfquoten bei Kindern besonders mau. / Foto: Adobe Stock/ New Africa
Bei allen Impfungen werden die empfohlenen Alterszeitpunkte nicht eingehalten, Impfserien bleiben unvollständig und einige Kinder erhalten manche Impfungen gar nicht, kritisiert das RKI. Es gebe teils erhebliche regionale Unterschiede. Dadurch werden bei keiner Impfung national beziehungsweise international gesetzte Impfquotenziele erreicht.
Vor allem bei lange etablierten Impfungen wie etwa gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Haemophilus influenzae b (Hib) und Hepatitis B zeigten sich in sehr jungem Alter nur »moderate Impfquoten«. Bis zum Schulbeginn würden Impfungen zwar nachgeholt, aber nicht bei allen Kindern, sodass auch hier Bedarf für das Schließen von Impflücken bestehe.
Eine Zunahme der Impfquoten für alle Altersgruppen über die Zeit sei fast ausschließlich bei Impfungen festgestellt worden, die erst in den vergangenen 10 bis 15 Jahren in den Impfkalender der Säuglinge aufgenommen wurden: also die Impfungen gegen Varizellen, Pneumokokken, Meningokokken C und Rotaviren.
Grundlage für die RKI-Analyse sind Daten der beiden gesetzlich verankerten Systeme zur Erhebung bundesweiter Impfquoten: der Schuleingangsuntersuchungen (2008 bis 2019) und der auf Abrechnungsdaten der KVen basierenden KV-Impfsurveillance (2008 bis 2021). Befürchtungen, wonach die Pandemie das Routineimpfen beeinträchtigen könnte, haben sich laut Bericht dagegen nicht bestätigt: Es seien 2020 »keine negativen Effekte auf die Impf-Inanspruchnahme bei Kindern« aufgetreten.
Auch gegen die hoch ansteckenden Masern werde oft zu spät und noch zu wenig geimpft. Zum Masernschutzgesetz, dessen Inkrafttreten zum 1. März 2020 sich mit dem Pandemiebeginn überlagerte, schreiben die Autoren: Es würden zwar »erste erfolgreiche Effekte« im ersten Jahr für die Inanspruchnahme der Masernimpfung festgestellt. Doch unter dem Strich wird ein Ziel aus dem Masernaktionsplan – 95 Prozent der Kinder sollen zum Schuleingang zweimal gegen Masern geimpft sein – nur in den zwei Bundesländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern erreicht, bundesweit nicht.
Ebenfalls wenig erfreulich sind die Durchimpfungsraten bezüglich des Humanen Papillomavirus (HPV). Bei 15-jährigen Mädchen ist der Anteil derer, die eine vollständige HPV-Impfung erhalten haben, in den vergangenen Jahren zwar leicht und kontinuierlich auf 47,2 Prozent im Jahr 2019 gestiegen. Doch damit wird »das Public-Health-Potenzial in Bezug auf die Verhinderung von Gebärmutterhalskrebs und anderen HPV-assoziierten Karzinomen und Krebstodesfällen nicht annähernd ausgeschöpft«, schreibt das RKI. Hintergrundinformation: die Vorgabe der Weltgesundheitsverordnung WHO zur weltweiten Eliminierung des Zervixkarzinoms ist eine HPV-Impfquote von 90 Prozent bei Mädchen bis zum Alter von 15 Jahren.
Auch interessant: Die Abbruchquote ist relativ hoch. Im Jahr 2019 hatten 65,6 Prozent der Frauen mit 18 Jahren eine HPV-Impfserie begonnen. 20,7 Prozent davon wurden jedoch nicht zu Ende geführt. Nicht minder zögerlich läuft die HPV-Impfung bei den Jungen. Seit August 2018 gibt es dafür eine STIKO-Impfempfehlung. In jeder einzelnen Altersstufe der 9- bis 18-jährigen Jungen haben bundesweit nicht mehr als 6 Prozent die HPV-Impfung abgeschlossen. Abhängig von der Altersklasse haben lediglich bis zu 20 Prozent eine HPV-Impfserie begonnen.