Zu Diabetes beraten |
Isabel Weinert |
26.08.2022 15:00 Uhr |
Blutzucker auf Schaukelkurs oder im Gleichgewicht – das entscheidet maßgeblich über die Lebensqualität von Diabetikern. / Foto: Adobe Stock/Christian Schwier
Gesunde Menschen bekommen nicht mit, wie fantastisch das Feintuning ihrer Bauchspeicheldrüse funktioniert, wie absolut passgenau Insulin in der richtigen Menge exakt dann ausgeschüttet wird, wenn der Körper es braucht, um Kohlenhydrate aus der Nahrung in jede einzelne Körperzelle zu transportieren. Wie schwierig es ist, auch nur annähernd an diese Präzision heranzureichen, das zeigt sich, wenn die Bauchspeicheldrüse ihren Dienst ganz oder teilweise quittiert, ein Mensch also Diabetes hat. Denn das große Dauerziel, das Gesundheit und Lebensqualität von Diabetikern erhalten soll, ist auch dann nie zu 100 Prozent zu erreichen, wenn Diabetiker wirklich alles in ihrer Macht stehende für gute Werte tun.
Liegen mindestens 70 Prozent der Blutzuckerwerte im Normbereich, dann ist das medizinische Ziel bei Diabetes erreicht. Doch immer wieder torpedieren Ereignisse im Alltag des Diabetikers die Bemühungen. Der Blutzucker steigt trotzdem zu hoch, tiefe Werte sorgen für Unterzuckerungen, die einen Diabetiker locker für eine halbe Stunde aus dem Alltag katapultieren können, manchmal mehrmals am Tag. Vor allem Typ-1-Diabetiker leiden unter starken Schwankungen ihrer Werte, unter einer Blutzucker-Achterbahn, die sich ganz besonders eignet, die Gefäße zu schädigen und Folgeschäden des Diabetes den Weg zu bereiten. Für diese Schwankungen gibt es mehrere Gründe. Wer sie kennt, kann besser als bisher auf Diabetiker eingehen.
Eine Endlosschleife: Der Körper muss regelmäßig mit Insulin versorgt werden. / Foto: Sabine Kranz
Der banalste Grund für hohe und schwankende Blutzuckerwerte liegt im Diabetiker selbst: Er isst zu viel und spritzt zu wenig Insulin, dadurch steigt der Blutzucker stark an. Daraufhin korrigiert der Diabetiker den hohen Wert mit zu viel Insulin, sodass der Blutzucker stark abfällt. Aus diesem Tief kommt der Mensch nur, wenn er Traubenzucker isst oder Saft beziehungsweise Limonade trinkt. Doch weil Unterzucker oft mit Heißhunger einhergeht, kann es sein, dass Diabetiker in dieser Situation, in der sie sich zittrig und fahrig fühlen und nicht mehr gut konzentrieren können, zu viel des Süßen zu sich nehmen. Denn die rationale Kontrolle über die Menge des Essens geht oft mit dem Heißhunger verloren. Schließlich ist der Heißhunger ein deutliches Alarmsignal des Gehirns: »Iss, sonst geht das hier übel aus!«.
Kurze Zeit später ist dann zwar der Unterzucker passé, der Blutzucker stiegt jedoch wieder stark an. Wer jetzt nicht abwartet, wie weit der Blutzucker steigt und stattdessen direkt wieder mit Insulin gegensteuert, der bereitet damit die nächste Unterzuckerung vor. Ein Kreislauf, der in eine verhängnisvolle Spirale des kurzen Wechsels von zu hohen und zu tiefen Werten führt. Jeder Diabetiker, der solche Tage schon erlebt hat, weiß, wie sie schlauchen.