Zu viele Infos verderben den Brei |
Zu strikte Zeitpläne und Pläne beim Füttern blockieren das Bauchgefühl für die Bedürfnisse des Kindes. / Foto: Fotolia/Reicher
Eine Befragung von 560 Kinderärzten in den USA zeigte kürzlich, dass auch unter ihnen keine einhellige Meinung herrscht. Etwa wenn es um die Frage geht, wie groß der zeitliche Abstand zwischen der Gabe neuer Lebensmittel sein sollte – etwa um Unverträglichkeiten besser erkennen zu können. »Nur zwei von fünf Ärzten halten sich an die gängigen Richtlinien, drei bis fünf Tage zu warten«, sagt die Chicagoer Kinderärztin und Hauptautorin der Studie, Waheeda Samady. Mehr als die Hälfte der Ärzte gab demnach an, Bedarf an einer Weiterbildung zum Thema zu haben.
Regina Ensenauer, Leiterin des Instituts für Kinderernährung in Karlsruhe, hält die Ergebnisse für »extrem spannend«. »Die Studie zeigt die Diskrepanz zwischen den Leitlinien und dem, was die praktisch tätigen Kinderärzte empfehlen«, so die Ernährungsexpertin. »Man müsste eigentlich auch in Deutschland genauer untersuchen: Was machen die Eltern, was empfehlen die Pädiater?« In der Kinderärzte-Ausbildung spiele die Kinderernährung kaum eine Rolle. Später im Beruf müssten sie trotzdem auch Ernährungsberatung leisten.
»Wir sagen Eltern inzwischen, dass sie keine wahnsinnigen Abstände einhalten und sich auch nicht Tage oder Wochen durch einen Brei durchkämpfen müssen, den das Kind vielleicht nicht mag, sondern dass sie ein neues Gemüse nehmen können«, sagt Jakob Maske, Berliner Kinderarzt und Sprecher beim Verband der Kinder- und Jugendärzte. In früheren Jahren seien die Empfehlungen strikter gewesen. »Wir sind deutlich weniger streng geworden. Es hat sich gezeigt, dass die Abwechslung und die frühe Zufütterung Allergien unter Umständen vorbeugen«, so der Arzt.
Eine weit verbreitete Empfehlung kommt vom Forschungsdepartement Kinderernährung der Universitäts-Kinderklinik Bochum. In einem Baukastensystem werden nach dem Plan nach und nach verschiedene Breie eingeführt. Doch was, wenn das Baby mit fünf oder sechs Monaten keinen Brei, sondern weiter nur Milch will? So manche Mutter verunsichert das.
»Das Problem ist, dass man zu sehr auf Zeitpläne schaut und dadurch leicht sein Bauchgefühl und die Bedürfnisse des Kindes außer Acht lässt«, sagt Aleyd von Gartzen, Beauftragte für Stillen und Ernährung beim Deutschen Hebammenverband. Tendenziell werde Frauen das Bauchgefühl schon während Schwangerschaft und Geburt abtrainiert. »Es gibt so viel Intervention und eine Frau bekommt vermittelt: Ohne Hilfe von außen geht gar nichts«, sagt sie. Nach der Geburt seien die Mütter dann auf sich gestellt. Für die Babys sei die Umstellung vom Stillen auf das Füttern von Brei durchaus schwierig, erklärt von Gartzen. »Beim Stillen können sie selbstbestimmt sein, nun sollen sie plötzlich passiv dasitzen und die Arme still halten.«