Zucker mit Potential |
Isabel Weinert |
18.02.2019 15:44 Uhr |
Escherichia coli werden von D-Mannose gebunden und können dann mit dem Harn ausgeschieden werden. / Foto: Sshutterstock/Tatiana Shepeleva
D-Mannose gehört in die Gruppe der sogenannten FimH-Antagonisten, Wirkstoffen, die einer Blasenentzündung vorbeugen beziehungsweise in deren Behandlung eingesetzt werden sollen. Derzeit ist D-Mannose der einzige auf dem Markt befindliche Vertreter der FimH-Antagonisten. Synthetische Substanzen befinden sich noch in der klinischen Entwicklung.
FimH-Antagonisten binden an das Protein FimH, das sich an der Spitze von Typ-1-Pili der Bakterien befindet, die potenziell eine Blasenentzündung auslösen. Mit Hilfe der Pili heften sich die Bakterien an das Blasenurothel und bereiten damit den Weg für die Infektion. D-Mannose verhindert diesen ersten Infektionsschritt, bindet die Bakterien über ihre Pili, so dass sie mit dem Harn ausgeschieden werden.
Damit D-Mannose wirkt, muss die Dosis höher gewählt werden als beim Drug Target. Zwei Gramm D-Mannose täglich, gelöst in Wasser, werden empfohlen. Blähungen, Übelkeit und weicher Stuhlgang sind mögliche Nebenwirkungen. Wem die hohe D-Mannose-Dosis nicht bekommt, dem können PTA raten, selbst die Dosis zu finden, unter der die Beschwerden weniger werden beziehungsweise ausbleiben. Täglich angewendet, kann D-Mannose einer erneuten Blasenentzündung ebenso gut vorbeugen wie die tägliche Einnahme des Antibiotikums Nitrofurantoin, das ebenfalls in der Cystitis-Prophylaxe eingesetzt wird. D-Mannose wird auch in der S3-Leitlinie zu unkomplizierten Harnwegsinfekten empfohlen.
Einer ganz anderen Eigenschaft von Mannose kamen Wissenschaftler aus Glasgow auf die Spur. Im vergangenen Jahr wurden ihre Untersuchungsergebnisse in der Zeitschrift Nature publiziert.
Mannose kann in den Zellen die Verwertung seines Epimers Glucose hemmen – womöglich führt diese Erkenntnis zu einer neuen Option, um Tumoren ergänzend damit zu behandeln. Krebszellen können ohne Glucose nicht existieren. Nachdem sich gezeigt hat, dass es nicht gelingt, Tumoren durch eine kohlenhydratarme Kost, eine sogenannte ketogene Diät, auszuhungern, weil Glucose per Gluconeogenese in der Leber rasch neu synthetisiert wird, rückte Mannose in den Blickpunkt der Wissenschaftler um Professor Kevin Ryan vom Beatson Institute in Glasgow. Denn der Zucker ist ein Epimer von Glucose und kann deshalb mit Hilfe der gleichen Transporter in die Zellen gelangen. Dort bringt Mannose allerdings im Gegensatz zu Glucose keine Energie, sondern bildet Mannose-6-Phosphat, das den Krebszellen schadet. Die Forscher zeigten das an Mäusen mit Bauchspeicheldrüsen, Lungen- oder Hautkrebs. Die Tiere tranken mit Mannose versetztes Wasser, woraufhin sich das Tumorwachstum verlangsamte. Dabei war die Wirkung des Zuckers vergleichbar mit derjenigen der häufig eingesetzten Zytostatika Cisplatin und Doxorubicin.
Auch in der Kombination mit Doxorubicin schlug sich Mannose gut: Sie verstärkte die Wirkung des Chemotherapeutikums, verlangsamte das Tumorwachstum, verringerte die Größe der Tumoren, und einige Mäuse lebten länger. Allerdings bestätigte sich die Wirkung nicht bei allen untersuchten Tumorarten, zu denen im Verlauf noch Leukämie, Osteosarkom, Darm- und Eierstockkrebs gehörten. Damit Mannose wirksam werden kann, darf in den Tumorzellen nicht zu viel des Enzyms Phosphomannose-Isomerase (PMI) vorhanden sein, denn es baut Mannose ab, so dass Glucose wieder ungehindert Energie liefern kann.
Im nächsten Schritt möchten die Wissenschaftler untersuchen, ob auch an Krebs erkrankte Menschen von Mannose profitieren können. Studienleiter Ryan: »Die Forschung steht noch am Anfang, aber wir hoffen, dass Krebspatienten künftig Mannose in einem perfekten Gleichgewicht verabreicht werden kann, um die Chemotherapie zu verbessern, ohne die allgemeine Gesundheit zu beeinträchtigen.«