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Pflanzen des Jahres

Zwei gute Bekannte und ein Sonderling

Zwei in der Pharmazie sehr bekannte Pflanzen und eine fast unbekannte Schöne: Das sind die Heil-, die Arznei- und die Giftpflanze des Jahres 2019. Johanniskraut, Weißdorn und Aronstab stehen nun für ein Jahr im Rampenlicht.
Brigitte M. Gensthaler
12.02.2019  15:16 Uhr

Johanniskraut (Hypericum perforatum L.) wurde von dem Verein NHV Theophrastus zur Heilpflanze des ­Jahres gewählt­. »Johanniskraut ist ein wahrer Segen als Heilmittel bei den heute weitverbreiteten Depressionen«, erläutert der Vorsitzende Konrad Jungnickel in einer Pressemeldung. Wissenschaftlich bestätigte Einsatzgebiete für den innerlichen Gebrauch sind leichte bis mittelschwere depressive Episoden und mentale Erschöpfung ­sowie leichte Verdauungsbeschwerden. Jungnickel betont, dass länger ­anhaltende stärkere »Stimmungstiefs« kein Fall für die Selbstmedikation sind. Äußerlich angewendet lindern Johanniskraut und das daraus hergestellte »Rotöl« leichte Hautentzündungen, Sonnenbrand und kleine Wunden.

Volksmedizinisch wird die Pflanze auch bei Reizblase, Harnwegsinfekten und Blasenentzündung sowie zur Harmonisierung des Hormonhaushalts eingesetzt. Der Ölauszug soll bei Sonnenbrand, Neurodermitis, Nerven­entzündungen oder Muskelschmerzen heilend wirken.

In der Homöopathie ist Hypericum perforatum der Klassiker bei Beschwerden durch Reizung oder Verletzung von nervenreichem Gewebe, zum Beispiel bei eingequetschten Fingern, nach dem Zahnziehen oder einer Zahn­wurzelbehandlung. Die Schmerzen sind stark, reißend oder ziehend. Nach dem Zahnziehen hat sich übrigens die abwechselnde Einnahme von Hypericum und Arnica bewährt.

Das breite Wirkspektrum des Johanniskrauts schätzte auch schon der Arzt Paracelsus (1493 bis 1541). Er bezeichnete die Pflanze als »Universalmedizin für den ganzen Menschen« und rühmte sie auch als hervorragende Wundarznei.

»Mit dieser Kür will der Verein das Vertrauen der Menschen in die alt­bewährte Heilpflanze Johanniskraut stärken«, betont Jungnickel. Denn widersprüch­liche Aussagen über Wirksamkeit, Neben­- und Wechselwirkungen würden die Menschen verun­sichern. Doch diese Heilpflanze ver­diene es, mehrfach gewürdigt zu werden­. So war Johannis­kraut 2015 die Arzneipflanze des Jahres.

Arzneiliche Herzkraft

Die aktuelle Arzneipflanze des Jahres ist nicht minder bekannt und bewährt. Der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde an der Universität Würzburg wählte den Weißdorn aufgrund vieler neuer Erkenntnisse und seiner Bedeutung für die Pflanzenheilkunde zur Arzneipflanze 2019.

In Sagen und Mythen wurden dem Weißdorn schon lange wundersame Fähig­keiten zugeschrieben. In der Antike wurden Weißdorn-Arten gegen Durchfall und Koliken sowie zur Blutstillung genutzt. Heute dominiert die Anwendung als Arzneimittel zur Unter­stützung von Herz und Kreislauf. Ab den 1970er-Jahren sind zahlreiche Einsatz­gebiete für Weißdornextrakt beschrieben, zum Beispiel bei Alters- und Be­lastungsherz, leichterer Herz­insuffi­zienz, Herzmuskelschwäche nach Infektionen, bei Rhythmus­störungen sowie Durch­blu­tungs­störungen des Gehirns.

Aufgrund der langjährigen Erfahrungen und der guten Verträglichkeit haben die Arzneipflanzenspezialisten der europäischen Arzneimittelbehörde, das Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC), Weißdornblätter mit Blüten 2016 als traditionelles pflanz­liches Arzneimittel eingestuft. Die Zube­reitungen können bei zeitweilig auftretenden nervösen Herzbeschwerden wie Herzklopfen oder durch Ängste ausgelösten Extrasystolen ein­gesetzt werden – wenn ein Arzt eine ernsthafte Erkrankung ausgeschlossen hat. Be­fürwortet wird zudem eine Anwendung bei leichten Symptomen von Stress und als Schlafhilfe. Auch das homöo­pathische Arzneimittel ­Crataegus hat einen klaren Bezug zum Herz-Kreislauf-System.

In Mitteleuropa sind mehrere Arten von Weißdorn beheimatet, darunter der Eingriffelige (Crataegus monogyna Jacq.) und der Zweigriffelige Weißdorn (Crataegus laevigata (Poir.) DC), die zur Herstellung von Arzneimitteln ver­wendet werden. Die Droge enthält sekun­däre Pflanzenstoffe wie oligo­mere Procyanidine, die für die Wirkung verantwortlich gemacht werden.

Brennen und Schmerzen durch

Aronstab (Arum maculatum L.) gehört zur Familie der Aronstabgewächse (Araceae) und ist die Giftpflanze des Jahres 2019. Alle Teile der Pflanze sind giftig: Sie enthält große ­Mengen Oxalat­, flüchtige Scharfstoffe wie das Saponin ­Aroin und das Alkaloid Coniin.

Beim Berühren kann sich die Haut röten und Blasen bilden. Beim Verzehr von Pflanzenteilen, vor allem der leuchtend ­roten Beeren, kommt es zu Prickeln­, Brennen und Schmerzen auf der Zunge und im Mund. Dies ist auf Verletzungen durch unlösliche kristalline Calciumoxalate zurückzuführen. Die Aufnahme größerer Mengen kann zu Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall bis hin zu Schwindel und Krämpfen führen. Bei Weidevieh wurden­ sogar tödliche Vergiftungen nach Verzehr von Aronstabblättern im Frühjahr beobachtet.

In der Homöopathie werden die frischen­, vor der Entwicklung der Blätter­ gesammelten unterirdischen Teile verwen­det. Arum triphyllum wird zum Beispiel eingesetzt bei gereizten entzündeten Atemwegen mit brennenden stechenden Schmerzen, aufgesprungenen Lippen und rissigen Mundwinkeln, die mit Blutungen einher­gehen können­.

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